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Wo bleibt der Flow?

Wenn es beim Schreiben mal wieder hakt, die Worte einfach nicht fließen und die Sätze nur so holpern, ist man wahrscheinlich zu sehr mit dem Denken und Konstruieren beschäftigt. Ein oft zitiertes, aber hilfreiches Bild erklärt das mit unseren beiden Gehirnhälften: Die linke Hirnhälfte läuft auf Hochtouren. Die rechte kommt gar nicht erst zu Wort. Das, was in uns schlummert, das Intuitive ist blockiert. Ob nun die Aufteilung in linke und rechte Gehirnhälfte wirklich immer so stimmt, sei mal dahingestellt. Auf alle Fälle können Sie mit bestimmten Übungen das kausale Denken etwas zügeln und Ihre kreativen Impulse wecken, um wieder eigene Ideen auf’s Papier zu bringen.

Für die meisten von uns ist Schreiben ganz eng mit einem Zweck verbunden und wir nutzen dieses Werkzeug meist nur dann, wenn wir irgendetwas erreichen wollen. Wer schreibt einfach so, ohne Ziel und Absicht? Selbst im Tagebuch stecken viele Wünsche und Bedürfnisse. Wie viele Notizen werden geschrieben, um anschließend etwas daraus zu machen. Daran ist natürlich nichts auszusetzen und Schreiben ist wahrscheinlich die beste Methode, um Themen zu erarbeiten, Gedanken zu strukturieren und Geschichten, Wissen oder Erfahrungen weiterzugeben.



Ich lade Sie ein, das Schreiben auch zu praktizieren, nur um für sich selbst da zu sein: Nichts erreichen, nichts bewerten, nichts falsch und nichts richtig machen wollen. Ich möchte Ihnen eine einfache Methode zeigen, wie Sie Ihr lineares Wenn-Dann-Denken ausbremsen können und vor dem Schreiben vollständiger Sätze zunächst Ihr Thema oder einen Begriff erschließen.

Suchen Sie sich ein ruhiges Plätzchen, legen Sie ein DIN A4 oder DIN A3 Papier vor sich und nehmen Sie einen Stift – am besten in Ihre NICHT-Schreibhand. Starten Sie mit einem Thema oder Wort, das Ihnen gerade durch den Kopf geht oder Sie schon länger beschäftigt. Das schreiben Sie in die Mitte Ihres Blattes. Schauen Sie sich das Wort an, warten Sie, lassen Sie sich Zeit. Und wenn der Impuls kommt, dann notieren Sie alle Stichworte, die spontan auftauchen rund um Ihr Ausgangswort bzw. Thema.

Da Sie nicht mit Ihrer Schreibhand notieren, werden Sie sich mehr auf’s Schreiben selbst konzentrieren müssen und alles es geht etwas langsamer. Dadurch geben Sie Ihrer inneren Stimme die Chance, sich zu Wort zu melden. Sammeln Sie alles, was auftaucht.



Wenn es sich ergibt, machen Sie kleine Zeichnungen dazu oder Kritzeleien. Lassen Sie einfach alles zu und verteilen es über das ganze Blatt. Zeichnen Sie möglichst kein Mindmap mit Linien, sondern lassen Sie Freiraum zwischen den Worten. Nach ca. 15 Minuten halten Sie inne. Mit etwas Übung fängt es hier bereits an zu fließen und Sie werden ohne nachzudenken, jede Menge Worte und Begriffe aufschreiben.

Lesen Sie sich dann in Ruhe alle Stichpunkte durch und schauen Sie immer wieder auf das Gesamtbild vor Ihnen. Immer wenn Sie etwas finden, das zusammengehört oder sich widerspricht, Sie aufwühlt oder erfreut, kennzeichnen Sie das Wort und zeichnen Sie Verbindungen, wo Sie welche erkennen.

Durch das Assoziieren und Notieren, finden Sie immer mehr Begriffe und Worte zu Ihrem Thema. Ergänzen Sie Ihr Geflecht, wo Sie merken, da fehlt noch etwas. Nach rund 30 Minuten ist meistens erst einmal alles raus – und wahrscheinlich auch das Blatt ziemlich voll.

Haben Sie sich öffnen können und ganz auf sich einlassen? Dann stehen da jetzt Dinge, die Ihnen so vielleicht noch nicht aufgefallen sind. Fangen Sie nun an, für sich selbst zu beschreiben, was sie sehen und lesen. Nehmen Sie den Stift jetzt wieder in die Ihre Schreibhand, aber schreiben Sie langsam und denken Sie nur an sich als Adressat. Falls Sie noch das Gefühl haben, Sie erklären oder rechtfertigen sich vor jemand anderem, warten Sie mit dem Schreiben. Nehmen Sie sich Ihre Sammlung noch mal vor und lesen Sie langsam ihre Notizen. Immer wenn Sie merken, dass ein Begriff nicht für Sie passt und an jemand andern gerichtet ist, streichen Sie ihn durch.

Halten Sie Fokus auf Ihre Erkenntnisse, Zusammenhänge und Formulierungen.

Wenn Sie diese Übung zum ersten Mal machen, fühlt es sich vielleicht komisch oder irgendwie banal an. Je öfter Sie sich aber diese Zeit für sich und Ihre Antworten nehmen, desto freier werden Sie sich fühlen und die Sätze kommen wie von selbst.

Ich freue mich, wenn Sie mir von Ihren Erfahrungen damit erzählen! Sie könne Sich auch gerne bei mir melden, wenn Sie Fragen haben oder unsicher mit der Vorgehensweise sind.


Bücher zum Thema Kreativität und Schreiben:


Henriette A. Klauser: Writing on Both Sides of the Brain: Breakthrough Techniques for People Who Write, ISBN 978-0062544902

Klaus W. Vopel: Schreibwerkstatt, Bd.1, ISBN 978-3894033118

Natalie Goldberg: Writing Down The Bones, ISBN 978-1611803082

Mihaly Csikszentmihalyi: Kreativität: Wie Sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden, ISBN 978-3608946567

David duChemin: A Beautiful Anarchy: When the Life Creative Becomes the Life Created, ISBN 978-1681982342


[Bilder: Gert Altmann (Titel), Elisa Riva, Foto: Robert Armstrong]

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